urlaub
Urlaub am Meer: Oft vergißt man, dass manche Menschen nicht die Möglichkeit haben, einen solchen Urlaub zu erleben.

Als Jugendliche habe ich mir immer gewünscht, viele Kinder zu haben, oben zu sein und mit anderen zusammenzuleben. Der Freundeskreis war deshalb eine Möglichkeit, die Familie zu erweitern, aber auch, den Familienegoismus nach der Devise “unsere zuerst” zu durchbrechen, den jede Familie im Dorf hatte sich – das mochte ich schon damals nicht. Als ich noch dort lebte, habe ich das alles aber noch nicht wirklich verstanden. In der Generation meiner Eltern hat es in dieser Großfamilie, aus der ich stamme, unglaublich viele Todesfälle gegeben: Unfälle und Suizide. Einer von diesen Unfällen betraf meine Tante, die mich in den ersten sechs Wochen gepflegt hat und wie eine Mutter für mich war. Ich habe sie unglaublich geliebt. Als ich fünf Jahre alt war, kam sie mit einer anderen Tante und deren drei Kindern zu uns um uns zu besuchen. Doch im Bahnhof sind sie alle vom Zug überfahren worden – direkt vor meinen Augen. Ich war dort, um sie abzuholen. Die drei kleinen Mädchen waren in meinem Alter. Das ist eines der Ereignisse, die die ganze Familie sehr geprägt haben. Im selben Jahr sind zwei Cousins meiner Mutter tödlich verunglückt, es gab verschiedene Suizide und weitere Unfälle, und mein Bruder ist 1996 ebenfalls tödlich verunglückt. Das ist wie ein Strang, der sich durch unsere Familiengeschichte zieht. Wie gesagt, ich habe zwar schöne Erinnerungen an meine Herkunftsfamilie, aber ich werfe ihr vor, dass sie alles, was schlimm war, durch ihre Art, damit umzugehen, noch schlimmer gemacht hat. Sie selbst haben das Unheil ins Unermessliche gesteigert. Sie haben immer alles zugedeckt. Ich war schon über dreißig, als ich anfing, mich an die Geschehnisse meiner frühen Kindheit zu erinnern. Allerdings war familiäre Gewalt in unserem dörflichen Umfeld alltäglich, das fiel nicht auf. Meine Freundin Claudi hat vor einigen Jahren einmal zu mir gesagt, dass es ihr leid tut, das damals gar nicht richtig zur Kenntnis genommen zu haben, was bei uns ablief; wo sie es doch tagtäglich mitbekam, aber es wäre ja eigentlich bei uns auch nicht anders zugegangen als irgendwo sonst im Dorf. Ich habe mehr als zwanzig Jahre gebraucht, um das alles aufzublättern und mich zu erinnern. Erst als Erwachsene habe ich die Wahrheit über so manches herausgefunden.